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Krieg in der Ukraine – beeindruckende Fotos und ein persönlicher Bericht des Journalisten und Fotografen Till Mayer über die aktuelle Situation in der Ukraine

MCB

Die 5 vor 12 Veranstaltung des MedienCampus Bayern fand dieses Mal nicht am letzten Donnerstag im Juni, sondern am Dienstag, 12. Juli 2022 um 19 Uhr statt. Und das hatte einen guten Grund: der mehrfach ausgezeichnete Fotograf und Journalist Till Mayer, der seit 2007 mehr als 40-mal in der Ukraine war, berichtete über den Krieg dort und gab den Teilnehmenden auch Einblicke in seine ganz persönlichen Erlebnisse. Zahlreiche Fotos verdeutlichen die Situation in Städten wie Kiew, Odessa, Butscha und weiteren Orten. Informationen über Till Mayer und seine Arbeit gibt es unter: https://www.tillmayer.de/

Das auffallende Amulett trägt er seit vielen Jahren – mit Namen und Blutgruppe für alle Fälle. In die Ukraine reist er inzwischen mit dem Flixbus, deren Fahrer er sehr bewundert.

Organisiert und moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Markus Behmer, Dekan der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften und Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Bamberg, der seit vielen Jahren mit Till Mayer befreundet ist.

Eingebettet war der Vortrag mit Diskussion zudem in eine Ringvorlesung zum Ukrainekrieg, die seit Anfang Mai wöchentlich an der Universität Bamberg stattfindet – siehe https://www.uni-bamberg.de/presse/pm/artikel/ringvorlesung-ukraine-2022/ .

Diesen Vortrag wiederzugeben kann kaum gelingen. Dennoch hier einige Aussagen und Erlebnisse von Till Mayer, die einen ganz besonderen Eindruck hinterlassen haben.

Anhand zahlreicher Fotos berichtete Till Mayer über seine Reisen in die Ukraine nach erfolgter Invasion im Februar dieses Jahres. Überraschend kam für ihn die Invasion nicht. Er verweist diesbezüglich auf einen Essay und eine Rede von Putin, in der dieser auf einen Territoriumsverlust der Sowjetunion von 30 bis 40 % hingewiesen hat. Seit Jahren arbeite der Faschist Putin daran, seine Ziele zu erreichen. Leider wurden diese Zeichen nicht klar erkannt.

Zu Beginn der Invasion war Till Mayer in Afghanistan, kam dann Anfang März 2022 zurück nach Kiew, nun bekleidet mit Helm und schusssicherer Weste. Wiederzukommen, seine langjährigen Freunde in der Ukraine wiederzusehen, war ihm sehr wichtig. Bemerkenswert waren die vielen Freiwilligen, die in langen Schlangen anstehen, um sich für den Kampfeinsatz zu melden. Darunter sehr viele Frauen. Der Frauenanteil in der ukrainischen Armee ist vergleichbar mit dem der israelischen Armee.

Zivile Objekte, Krankenhäuser und Wohngebäude werden gezielt angegriffen. Die Angst der Menschen, vor allem um das Leben ihrer Kinder, ist groß. Eine Totenstille erlebte Till Mayer als er einen Raum betritt, in dem sich rund 100 geflüchtete Kinder aufhielten – ein Zeichen für die absolute Erschöpfung und Traumatisierung dieser Kinder. Bereits jetzt gibt es rund 100.000 traumatisierte Kinder.

Bei seiner zweiten Reise nach der Invasion erlebte Till Mayer in Butscha die Folgen all der Gräueltaten und das Leid der Menschen dort. Die zivile Bevölkerung wurde für so schwerwiegende Vergehen, wie etwa Fahrradfahren, getötet. Die Überlebenden müssen befürchten, beim Betreten ihrer Wohnungen auf Sprengsätze zu stoßen, die an den Türen angebracht wurden, um weitere Menschenleben zu vernichten. Die Toten wurden in Massengräbern begraben und, soweit sie identifiziert werden konnten, später auf dem Friedhof beigesetzt.

Im schwer umkämpften Charkiw hat auch Till Mayer in der U-Bahn geschlafen. Dort hat er viele Helden kennengelernt – einen jungen Feuerwehrmann z.B. oder eine gerade mal 28jährige junge Frau, die das Leben im U-Bahn-Bereich organisierte: Toiletten, Essen und Trinken und vieles mehr. Nach erfolgreichen Gegenangriffen durch die Ukrainer fährt inzwischen die U-Bahn in Charkiw wieder.

Trotz all dieser schrecklichen Erlebnisse klagen die Menschen nicht. Till Mayer erhielt von einer alten Frau auf seine Frage, was sie sich am meisten wünsche, die Antwort „Frieden, aber nicht um jeden Preis“.

Einen großen, brutalen Artilleriekrieg, mitten in Europa in einer vermeintlich friedlichen Welt erlebt die Bevölkerung im Donbass. Ganze Städte werden zerstört und den Menschen unendliches Leid zugefügt. Es sind immer wieder Einzelschicksale, die benannt werden können, so eine blinde Frau, die ganz allein geflohen ist und dabei noch einer anderen, noch älteren Frau geholfen hat.

Wie überstehen die Menschen die Angriffe und wie gestaltet sich deren Alltag?

Vor allem für die alten Menschen ist diese Situation eine Katastrophe. Sie sind körperlich nicht mehr in der Lage bei Angriffen Schutzräume in den Kellern zu erreichen. Man lebt so gut es geht den Alltag – geht zur Arbeit, ins Straßencafé, Fernsehprogramme funktionieren. Um Traumata zu verarbeiten wird viel Kunst geschaffen. Eine Freundin in Odessa verarbeitet ihre Erlebnisse z.B. beim Tanzen.

Und welche Rolle spielt Wolodymyr Selenskyj für die Ukrainer?

Er ist ihr Präsident, weil er im Land geblieben ist. Aufgrund seiner Schauspiel-Kompetenz findet er passende Worte. Hätte er das Land verlassen, wäre der Krieg anders verlaufen.

Auch auf Seiten der russischen Angreifer gibt es hohe Verluste.

Es wurden von Putin bereits Strafgefangene zum Kriegseinsatz verpflichtet. Da stellt sich immer wieder die Fragen, wie lässt sich dieser Krieg beenden? Verhandlungen mit einem Menschen, der von einem großrussischen Reich träumt, versprechen wenig Erfolg. Kompromisse sind für Putin Zeichen der Schwäche. Sollen weitere Waffen in die Ukraine geliefert werden?

Till Mayer zeichnet das Bild einer westlichen Bevölkerung, die angstfrei aufstehen und demonstrieren muss, um Putin entgegenzutreten. Putin beobachtet die westliche Gesellschaft sehr genau. Das scheinbare Desinteresse und das Jammern bestärken ihn und treiben ihn weiter an. Nach einer langen Phase des Friedens in Europa sieht Till Mayer nun die Zeit gekommen, um auf die Straße zu gehen und zu kämpfen, denn dieser Krieg betrifft uns alle.

Das neueste Buch von Till Mayer: Dombass – hier präsentiert von Prof. Dr. Markus Behmer.

Das neueste Buch von Till Mayer - Donbass. (hier präsentiert von Prof. Markus Behmer)

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