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Journalismus nicht mitgedacht? Was ChatGPT zur echten Revolution fehlt

MCB

Referent: Prof. Markus Kaiser

Dekan der Fakultät Angewandte Mathematik, Physik und Allgemeinwissenschaften, Professor für Praktischen Journalismus an der Technischen Hochschule Nürnberg  Mail: markus.kaiser@th-nuernberg.de  Web: www.th-nuernberg.de/person/kaiser-markus

https://medien-kaiser.de/2023/02/07/chat-gpt-warum-die-ki-noch-lange-keinen-journalismus-kann/

 

In der Diskussionsrunde „5 vor 12“ des MedienCampus Bayern am Donnerstag, 29.6.2023, entfachte das Thema KI von Beginn an lebhafte Diskussionen.

Frau Prof. Sabine Resch moderierte die Runde. Sie verwies in ihrer Einführung darauf, dass KI bereits existiert und es daher für eine reine Ablehnung und Polemik bereits zu spät sei. Es wird derzeit versucht, die generative KI zu regulieren, u.a. durch die EU. Es geht nun um die Frage: Wie machen wir uns ChatGPT zunutze, vor allem im Journalismus? 

Moderatorin: Prof. Sabine Resch

Journalistin und Professorin für Modejournalismus an der AMD Akademie Mode & Design, Studiendekanin von Fashion Journalism and Communication (B.A.) am Fachbereich Design der Hochschule Fresenius, München

 

Im November 2022 wurde die neue Software des US-amerikanischen Unternehmens Open AI in die Welt gespült, mit der Texte-generierenden ChatGPT. Bild-generierende KI wie Dall E oder Mid Journey kamen dazu. Die technikgläubige Welt erlebt einen weiteren Hype. Doch wie immer gibt es auch hier zwei Seiten: Ist die generative KI Fluch oder Segen? Und: Was bedeutet sie für den Journalismus?

Der deutsche Philosoph Julian Nida Rümelin hat kürzlich in der Süddeutschen Zeitung die KI als Plagiatsmonster bezeichnet. Sollten wir nun aus diesem Plagiats-Monster nicht eine Nutz-Maschine machen, die uns das Leben erleichtert, aber unsere Jobs nicht abschafft?

Selbst Entwickler und Begründer der ChatGPT und Dall E, wie Sam Altman, Gründer der OPEN AI, warnen schon vor ihrer eigenen Erfindung. Sie könne zu einer großen Gefahr werden, schreibt auch KI-Pionier Geoffrey Hinton im Mai im „MIT Technology Review“. Er selbst sieht ernste Risiken, die die Technik mit sich bringt „Es ist erschreckend, was ich da sehe!“, so der Pionier des Deep Learning.

Negative Beispiele für den Umgang mit ChatGPT im Journalismus sind hierzulande zum einen ein Interview mit Michael Schumacher in der Zeitschrift „die aktuelle“, die dieses angebliche Interview von der KI führen ließ ­– Fake News. Oder das kürzlich erschienene „Lisa Kochen & Backen“-Extraheft mit 99 Pasta-Rezepten von Burda Media. Texte und Rezepte waren ausschließlich von ChatGPT erstellt – und dies ganz ohne Kennzeichnung.

Viele offene Fragen also. Unser Referent Prof. Markus Kaiser spricht von einem facettenreichen Thema. Auf die Einsatzmöglichkeiten im Journalismus müsse man einen differenzierten Blick werfen. Im Verlauf des Vortrags geht es u.a. um ethische Aspekte, den Pressekodex sowie neue Anforderungen an die Medienausbildung.

Zunächst ein paar begriffliche Erläuterungen: 

Generative AI (Artificial Intelligence) ist eine Form von künstlicher Intelligenz, die auf Basis von Vorgaben und vorhandenen Informationen neue Inhalte generiert. Es kommen KI-Verfahren und -Technologien wie trainierte neuronale Netzwerke, maschinelles Lernen (Deep Learning) und KI-Algorithmen zum Einsatz, um nach Anweisungen Texte, Bilder, Audio- und Videoinhalte, Programmcode, 3D-Modelle und anderes zu erzeugen.

Bei ChatGPT (= Chatbot Generative Pre-trained Transformer) kann der Benutzer über Texteingabe mit dem Computer menschenähnlich kommunizieren. Das Besondere hierbei ist, dass der Chatbot aus der Unterhaltung lernt. Er kann z.B. komplizierte Sachverhalte einfach erklären, Gedichte, Nachrichten oder kurze Texte schreiben. Dafür wurde ChatGPT mit Millionen Texten aus dem Internet, aus sozialen Medien, Online-Foren, Zeitungsartikeln und Büchern trainiert. Mithilfe eines Filters soll die Ausgabe von falschen oder schädlichen Inhalten vermieden werden.

Es stellen sich die Fragen, woher kommen aktuelle Informationen? Wie werden unstrukturierte Daten verarbeitet? Wie werden Fake News aussortiert? Wie werden Narrative kritisch hinterfragt? Werden die Vorgaben im Journalismus – z.B. Pressekodex, Wahrhaftigkeit, Menschenwürde – eingehalten?

Aktuelle Informationen stehen nur dann zur Verfügung, wenn ChatGPT Verbindung zum Internet hat. Was ChatGPT jedoch nicht macht:

  • Das Zwei- oder Mehr-Quellen-Prinzip beachten.
  • Quellen bewerten.
  • Die Gegenseite zu Wort kommen lassen.
  • Zwischen Nachricht und Kommentar trennen.
  • Über andere Meinungen oder Meinungen, die nicht geteilt werden, berichten.

Und es bleibt die Frage, wer die Verantwortung für das Geschriebene trägt.

Dennoch gibt es Einsatzmöglichkeiten im Journalismus:

  • Unterstützung bei der Textgenerierung.
  • Vollständige Generierung des Textes, jedoch mit Abnahme des Textes durch den/die Journalist:in (Vier-Augen-Prinzip).
  • Automatisches Publizieren durch AI.

AI ist mehr als ChatGPT und kann den Journalismus entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Recherche bis zur Distribution, unterstützen.

  • Gut lässt sich ChatGPT auch einsetzen im Bereich einfache Sprache / Barrierefreiheit. Hierauf hat sich bereits ein Startup spezialisiert.
  • Eigene Texte werden erstaunlich gut optimiert.
  • Schwierige Texte kann ChatGPT leichter verständlich machen.

Im Zusammenhang mit KI fällt immer wieder das Wörtchen „noch“. Die Entwicklung schreitet rasant voran. Funktionen, die gestern noch nicht möglich waren, können heute bereits zur Verfügung stehen. Bei der KI-Fotografie zum Beispiel ist es die Zuordnung von Händen und Augen, die noch nicht funktioniert. Man muss allerdings bei Fotos genau hinsehen, um dies überhaupt feststellen zu können.

Ein ganz wichtiger Punkt ist, wie schon bei vielen anderen Themen aus dem Medienbereich, das Vermitteln von Medienkompetenz in den Schulen und an den Hochschulen. Studierenden muss klar sein, dass ChatGPT nur auf bereits vorhandene Informationen zurückgreifen, jedoch nichts Neues generieren kann. Es fehlt uns allen, die wir nicht im Umgang mit Medien geschult sind, an der erforderlichen Kompetenz. Eine Schulung der Gesamtbevölkerung, die u.a. mit politischer Bildung einhergehen sollte, ist dringend und zeitnah erforderlich.

Es gibt bereits ganze Abteilungen – Verifikations-Abteilungen – die Inhalte und Texte vor der Publikation kritisch prüfen. Immer häufiger hört man in den Medien Begriffe wie „Vermutungen“, „es soll …“ oder „keine verifizierte Nachricht“, um aufzuzeigen, dass die aktuelle Nachricht inhaltlich (noch) nicht überprüft werden konnte.

ChatGPT kann im Journalismus tatsächlich unterstützen, die Journalisten jedoch nicht ersetzen, denn ChatGPT ist derzeit noch nicht in der Lage, Texte mit neuen Inhalten zu generieren.

https://medien-kaiser.de/2023/02/07/chat-gpt-warum-die-ki-noch-lange-keinen-journalismus-kann/

 

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